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Ein klares Muss für die einen, eine Verkrüppelung der Sprache für die anderen: Das Gendern ist Teil des öffentlichen Diskurses zur Gleichstellung der Geschlechter und führt oft zu hitzigen Diskussionen. Eine einheitliche und klare Regelung gibt es dennoch, oder vielleicht gerade deshalb nicht. Das geschlechtergerechte Schreiben verlangt darum ein Bewusstsein für Sprache an sich und manchmal auch etwas Kreativität.

Alles übertrieben?

Wir finden: Nein. Zugegeben, das geschlechtergerechte Schreiben kann eine Herausforderung darstellen. Schliesslich sollen viele Textarten so einfach wie möglich und nur so lange wie nötig sein. Das gilt auch für Texte in der Werbung. Gerade in unserem Schreibgebiet hören wir oft «je weniger Text, desto besser». Denn Aufmerksamkeit ist das höchste Gut und entsprechend rar. Informationen müssen schnell, verständlich und trotzdem emotional vermittelt werden. Das Gendern fällt da nicht selten der begrenzten Zeichenzahl zum Opfer. Dabei gibt es starke Argumente für geschlechtergerechte Sprache, auch in der Werbung:

Gendern ist zeitgemäss

Und Werbung will/muss es auch sein. Noch mehr sogar: Werbung kann Trends verstärken, ein Umdenken provozieren, Handlungen auslösen. Und sie hat im besten Fall eine grosse Reichweite. Dadurch entsteht für Werbungtreibende die Verantwortung, ihr Potenzial nicht nur für den eigenen Zweck, sondern letztendlich auch für die Gesellschaft, die sie mit ihren Botschaften beeinflusst, einzusetzen.

Gendern schafft Klarheit

Auf den ersten Blick scheint es, als mache geschlechtergerechtes Schreiben einen Text unnötig lang, kompliziert und unangenehm zu lesen. Inhaltlich aber schafft das Gendern Klarheit. Wird sprachlich nur ein Geschlecht explizit angesprochen, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob weitere Geschlechter mitgemeint sind oder nicht. Und auch wenn dem so ist: Ein Autor oder eine Autorin kann von Lesenden nicht erwarten, dass sie beim Lesen alle Geschlechter mitdenken.

Sprache beeinflusst, wie wir Denken

Sprache lässt Vorstellungen in unseren Köpfen entstehen. Texte, die nur die männliche Form verwenden, provozieren Vorstellungen, die männlich geprägt sind. Umgekehrt passiert natürlich dasselbe, wenn nur die weibliche Form verwendet wird. Das passiert auch dann, wenn das unerwähnte Geschlecht mitgemeint ist. Hinzu kommt, dass Sprache viel mehr als nur ein Instrument zur Verständigung ist:

Sprache ist nicht nur Kommunikationsmittel, sie gibt unsere Welterfahrung wieder, prägt unser Denken und unsere Identität. Sprache schafft somit Realität.

Genau deshalb eignen sich übrigens die sogenannten «Generalklauseln» zu Beginn eines Textes, die beschreiben, dass z. B. die weibliche mit der männlichen Form im folgenden Text mitgemeint ist, nicht für das geschlechtergerechte Schreiben.

6 geschlechtergerechte Schreibweisen und 1 No-Go

  1. Keine Anrede bzw. direkte Rede

    Zwei einfache Methoden der Kommunikation, die nicht per se geschlechtergerecht, sondern geschlechtsneutral funktionieren, sind die Umgehung der Geschlechter-Benennung oder die direkte Rede. Letztere hat den zusätzlichen Vorteil, dass sie aktivierend wirkt. Zwei Beispiele aus dem Hause Valencia:

    Beispielbild keine Anrede Tweeks Beitrag Gendern
    Ein Plakat aus der Kampagne für das U-Abo des Tarifverbunds Nordwestschweiz (TNW)

    Ein Social-Media-Video für die aktuelle Kampagne «Wünsch dir das» von Coop Hello Family

  2. Doppelnennung

    Beispiele: Besucherinnen und Besucher, Leserinnen und Leser

    Diese Form des Genderns ist unkompliziert, verständlich und weit verbreitet. Die ausgeschriebenen Formen der Geschlechter werden mit «oder», «und» oder «sowie» verbunden. Arbeitet man mit einer begrenzten Anzahl Zeichen, kann diese Schreibweise allerdings zu einem Problem werden, da sie einen Text verlängert. Und Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren, werden hier nicht inkludiert.

  3. Schrägstrich, Unterstrich, Gendersternchen

    Beispiele: Mitarbeiter/-innen, Mitarbeiter_innen, Mitarbeiter*innen

    Der Schrägstrich, (achtung: nur ergänzt mit einem Auslassstrich (-)) ist eine praktische Kurzform der Doppelnennung und vom Duden als geschlechtergerechte Personenbezeichnung anerkannt. Oft gesehen, aber vom Duden nicht abgedeckt sind der Unterstrich und das Gendersternchen.[1] Diese beiden Zeichen haben den Vorteil, dass sie die Endung in gewisser Weise offen lassen, es werden also nicht nur das männliche und weibliche Geschlecht angesprochen.

  4. Geschlechtsneutrale Formulierungen

    Beispiele: die Lesenden, die Studierenden, die Betrachtenden

    Geschlechtsneutrale Formulierungen haben den Vorteil, dass sie kurz und verständlich sind. Ausserdem schliessen auch sie nicht nur Männer und Frauen, sondern auch weitere Geschlechter ein. In der Mehrzahl funktionieren sie einwandfrei, in der Einzahl jedoch entfällt die Neutralität: der Lesende und die Lesende.

  5. Binnen-I

    Beispiele: SchülerIn, GärtnerInnen, LeserInnen

    Auch das Binnen-I ist laut Duden «nicht Teil des amtlichen Regelwerks», aber dennoch weit verbreitet und verständlich. Zudem verlängert es einen Text nicht massgeblich. Die Schreibweise kann aber auch zu grammatikalischen Fehlern führen. Beispiel: «Den AutofahrerInnen wird vorgeworfen, dass sie zu schnell fahren.» Korrekterweise müsste es in der männlichen Form «Den Autofahrern» heissen. In solchen Fällen muss also eine andere Schreibweise angewandt werden.

  6. Spezialfall: zusammengesetzte Wörter

    Beispiele: Grundkurs, Besuchsgruppe, Fachwissen

    Die klassischen Beispiele für das «Mitmeinen»: Bestimmte Wörter, die auf der männlichen Form basieren, haben sich in unserem Wortschatz etabliert und meinen in den allermeisten Fällen beide Geschlechter. Hier ist in der geschlechtergerechten Formulierung etwas Kreativität gefragt, denn die Wörter müssen dafür geändert werden. So wird der Anfängerkurs geschlechtergerecht formuliert zum Grundkurs, die Besuchergruppe zur Besuchsgruppe und das Expertenwissen zum Fachwissen.

  1. No-Go: Klammern

    Beispiele: Schüler(in), Gärtner(in), Leser(in)

    Klammern bezeichnen oft etwas, das man weglassen kann. Sie eignen sich darum rein bedeutungstechnisch nicht für die geschlechtergerechte Formulierung.

Fazit

Geschlechtergerechtes Schreiben beansprucht etwas mehr Überlegungen, manchmal ist Kreativität oder sogar eine Wortschöpfung nötig. Gendern in der Werbung hört aber nicht beim Schreiben auf: Schon beim Konzepten, beim Suchen von Stockbildern, beim Planen von Shootings, etc. muss auf eine angemessene Repräsentation der Geschlechter geachtet werden. Wir geben stets unser Bestes, dies so umzusetzen.

Quellenangaben

[1] duden.de



Brauchen Sie Hilfe bei geschlechtergerechter Kommunikation? Die Valencia Gruppe unterstützt Sie gerne!

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