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Humor in der Werbung ist ein cleverer Trick, der – wie jede Meisterdisziplin – ganz leicht wirkt, aber gar nicht so leicht zu zaubern ist. Genau aus diesem Grund trauen sich viele Unternehmen nicht so recht, ihre Kunden zum Lachen zu bringen. Was, wenn die am Schluss nicht mit einem lachen, sondern über einen? Schliesslich will man seriös wirken, Vertrauen erwecken und ernst genommen werden, um sich bestmöglich zu verkaufen. Comedy scheint da erstmal fehl am Platz. Oder?

ehem. Junior Texterin

Der Kampf gegen das Low Involvement

Zur Veranschaulichung stelle ich Ihnen Luisa vor. 30 Jahre alt, Buchhalterin, pendelt jeden Morgen 25 Minuten im Zug. Diese Zeit vertreibt sie sich entweder damit, eine Gratiszeitung durchzublättern oder am Smartphone auf Social Media zu surfen (#IhateMondays #ohnekaffeeläuftnix) und Filmchen auf Youtube anzuschauen. Dabei wird sie mit unzähligen Werbebotschaften konfrontiert: In der Zeitung, auf Webbannern, als Online-Anzeigen und Spots, auf Plakaten im Bahnhof, Zug, Bus, in Schaufenstern. Bad News: Ein Grossteil dieser Werbung verschwindet im schwarzen Loch des sogenannten Low Involvements. Also: der niedrigen Beteiligung. Einfacher: des Desinteresses. Und das ohne Luisas aktive Entscheidung. Denn was wir uns anschauen, entscheidet unser Gehirn ganz ohne unser Zutun. Werbung muss deshalb Relevanz für das Zielpublikum haben. Nur dann wird sie vom Gehirn als wichtig eingestuft und überhaupt verarbeitet. Relevanz kann auf viele verschiedene Arten erzeugt werden. Good News: Ein sehr erfolgreicher Weg, Relevanz zu schaffen, ist Witz in der Werbung.

Werbung mit Humor hat viele Vorteile

Dr. Martin Eisend, Professor für Marketing an der Europa-Universität Viadrina weiss: „Im Gegensatz zu anderen Werbepraktiken, die meist als lästig empfunden werden, gefällt Humor in den Spots und scheint so zum Wohlbefinden der Zuschauer beizutragen“. Durch den Überraschungseffekt des Witzes und den Unterhaltungswert hat humorvolle Werbung die Chance, erstmal nicht ausgeblendet, weggeklickt oder umgeblättert zu werden. Wertvolle Sekunden der Aufmerksamkeit, die potenzielle Kunden einer Werbung schenken. Zum Beispiel Luisa im Zug. Das ist Aufmerksamkeit, für die sie belohnt wird: Mit einem Lacher, einem guten Gefühl und dem Schmeicheln ihrer Intelligenz, weil sie den Witz verstanden hat. Diese positive Emotion prägt die Einstellung zur Marke und dem Produkt und hinterlässt eine gute Grundstimmung.

Das Märchen vom Vampir-Effekt

Die positive Verknüpfung funktioniert auch – und vor allem – unbewusst, wie eine Studie der Universität Basel zeigt. Untersucht wurde dabei der vom Marketing gefürchtete sogenannte Vampir-Effekt bei humorvoller Werbung. Davon spricht man, wenn der Humor der Werbebotschaft sozusagen das Leben “absaugt” – der Zuschauer lacht zwar gut und gerne über den Witz und erinnert sich am Ende an die Pointe, aber nicht an den Absender. Studien zeigen: Direkt nach einer lustigen Werbung können Betrachter die Marke tatsächlich oft nicht beim Namen nennen. Das ist aber gar nicht so kontraproduktiv, wie es klingt. Denn unbewusst erkennen sie die Marke dennoch wieder. Und solch eine unbewusste positive Verknüpfung ist sogar sehr wünschenswert: Das entsprechende Produkt oder die Marke wird dadurch nämlich aus einer Auswahl – zum Beispiel im Ladenregal – ganz automatisch ausgesucht. Den Vampireffekt sogar komplett verneinen will die freie Universität Berlin: Sie hat diverse Untersuchungen zum Thema Humor und Werbewirkung analysiert und kommt zum Schluss, dass es für einen Ablenkungseffekt keinen Beweis gibt. So dramatisch, wie sein Name vermuten liesse, ist der Vampir-Effekt also gar nicht.

Verstehen Sie Spass?

Lange Zeit galt das ungeschriebene Gesetz, dass man mit Humor überhaupt keine Werbung machen könne, weil man damit nicht glaubwürdig sei. Eine Einstellung, die sich auch heute teilweise noch hartnäckig hält, obschon der Gegenbeweis tagtäglich gut Geschäfte macht. Die Meinung, dass man nur sogenannte „Gelbe Güter“ (nach Weinberger 1997), also verhältnismässig günstige emotionale Produkte wie Süssigkeiten, Zigaretten oder Schnäppchenmode, erfolgreich mit Witz bewerben könne, bestätigt sich in der Realität der Werbung nicht.

Die Weinberger-Matrix
Die Weinberger-Matrix zeigt eine Aufstellung verschiedener Güter entlang einer Risiko- und einer Emotionsachse. Weinberger ging davon aus, dass sich nur gelbe Produkte mit Humor vermarkten lassen.

 

Mittlerweile wird witzige Werbung für alle möglichen Produkte und Brands eingesetzt, seien es teure Alltagsdinge wie Versicherungen (beispiellos: Die Schadenskizze der Mobiliar) oder emotionale Luxusgüter wie ein Auto (zum Beispiel bei Volkswagen). Es zeigt sich: Der Erfolg ist weniger vom beworbenen Produkt abhängig als vom Zielpublikum und der Güte des Witzes. Und genau das sind die wahren Schwierigkeiten von Humor in der Werbung.

Die wahren Schwierigkeiten von Humor in der Werbung

Humor ist emotional und subjektiv. Genau deshalb funktioniert er so gut – oder eben so schlecht. Was witzig ist, lässt sich nur tendenziell, niemals punktgenau vorhersagen. Was ein Werbeteam lustig findet, kommt bei einer spezifischen Kundschaft vielleicht überhaupt nicht an. Mit einer guten Analyse und vernünftigen Einschränkung des Zielpublikums lässt sich einschätzen, ob und welcher Humor sich anbietet. Eine Ausrichtung an der Zielgruppe ist für witzige Werbung deshalb noch wichtiger als ohnehin im Marketing. Vor Augen führen muss man sich, dass drei Parteien die erfolgreiche Werbung machen: Das Unternehmen, die Werbeagentur und das Publikum. Von diesen drei Gruppen muss aber nur eine die Werbung wirklich lustig finden, damit sie funktioniert: Das Publikum. Vom Unternehmen und der allfällig beauftragten Werbeagentur muss deshalb die nötige Objektivität kommen, die Situation und die Zielgruppe richtig zu analysieren um eine Werbung zu kreieren, die am richtigen Ort ankommt.

Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen

Wie jede Comedy ist also auch lustige Werbung hinter den Kulissen harte Arbeit und eine ernste Sache. Es zeigt sich: Mit humorvoller Werbung kann man eigentlich nichts falsch machen. Ausser, man macht sie falsch. In diesem Sinne birgt sie natürlich ein gewisses Risiko – aber, wie oben gezeigt, eben auch ganz viele Vorteile. Witzige Werbung erreicht das Zielpublikum besser, wird lieber angeschaut, bleibt besser im Gedächtnis und schafft eine positive Grundeinstellung zum Beworbenen. Es lohnt sich daher wirklich, ihre Anwendung von Fall zu Fall eingehend zu prüfen. Mut zum Witz kann sich nämlich richtig auszahlen.

5 Gedanken zu Werbung mit Humor

  1. Das richtige Niveau

    Mit plumpen Witzen fühlt sich das Publikum für dumm verkauft. Zu schwierige Witze und es fühlt sich vorgeführt. Der Witz soll mit angepasstem Aufwand decodiert werden können.

  2. Über sich selbst
    lachen ist gesund

    Unternehmen, die sich selber nicht zu ernst nehmen, wirken weniger „corporate“, weniger kalt und konzernig. Stattdessen treten sie sympathisch-menschlich auf, kommen gut an und generieren so Nähe zur Kundschaft – gut vor macht das zum Beispiel Ikea

  3. Nicht auf Kosten anderer

    Immer schwierig ist Humor auf Kosten Dritter. Damit erreicht man viel eher den Ärger einer Gemeinschaft als den Humor einer kleinen Zielgruppe. Also lieber einmal mehr über sich selber lachen statt über andere.

  4. Achtung Trends

    Bei Trends ist ein gutes Händchen gefragt. Es lohnt sich, zu wissen, was die Welt gerade entertaining findet, jedes Fieber mitmachen muss man aber nicht. Kann man zeitnah agieren, trägt einem die Welle vielleicht mit (siehe zum Beispiel die Emoji-Sammelpromotion von Coop oder den Pokémon Go Clip von Basel Tourismus) – ansonsten ist die Gefahr gross, dass der Hype vorbei ist, bis die eigene Kampagne gelauncht wird.

  5. Kennen Sie Ihre Zielgruppe – nicht sich selber

    Die Zielgruppe, die sich in Studien als besonders empfänglich für humorige Werbung gezeigt hat, waren junge, gut gebildete Männer. Das könnte aber auch daran liegen, dass lustige Werbung häufig von jungen, gut gebildeten Männern gemacht wird und diese sich selber einfach am besten kennen und am ehesten “für sich selber” Werbung machen..

Beispiele für humorvolle Werbung

Diese Beispiele zeigen, dass Werbung mit Humor sehr unterschiedlich gemacht und für diverse Güter erfolgreich eingesetzt werden kann.

Diese Werbung der Sprachschule Berlitz hat schon fast Kultstatus.
Coop erweckte die beliebtesten Emojis zum Leben.
Galaxus schmunzelt über die schöne Werbewelt.
Volkswagen erkannte, dass man mit Star Wars eigentlich nie daneben liegt.
Snickers prägte „hangry“ (hungry + angry), bevor es alle kannten.
Graubünden Tourismus macht sich auch ein bisschen über sich selbst lustig.
Basel Tourismus ritt die Pokémon Go Welle und landete einen viralen Hit.
Ikea greift die Ideen aus dem echten Leben.

2 thoughts on “Keine Angst vor Humor in der Werbung

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