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Spielt die Ethnie von Models auf Plakaten eine Rolle? Dieser Frage ist Selina Egeler in ihrer Maturarbeit mit einem spannenden Versuch nachgegangen. Valencia durfte sie mit Inputs aus dem Werbealltag und fiktiven Plakatlayouts unterstützen. Für Tweeks hat Selina ihre Arbeit und die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst.

Maturandin
Fokus

Als angehende Maturandin habe ich vor einem Jahr begonnen, mich mit der Themenfindung für meine Maturarbeit auseinanderzusetzen. Schnell habe ich gemerkt, dass ich eine Arbeit im Marketingbereich schreiben will, mich aber auch Themen wie Kultur und Gesellschaft interessieren. Gemeinsam mit Valencia habe ich mich dann auf die ethnische Diskriminierung in der Werbung fokussiert.

Wieso dieses Thema?

In der Schweiz werden für die Werbung vorwiegend weisse Models eingesetzt. Mich interessierte, ob dies darauf basiert, dass wir uns mit diesen Models besser identifizieren können und die Firmen sich dadurch eine positive Beeinflussung des Kaufverhaltens erhoffen. Oder beruht dieser Standard auf einem alten Konzept der Werbeindustrie? Früher wurde für jene geworben, welche die Möglichkeit und den Willen hatten, Produkte zu kaufen – und dies war die weisse Bevölkerung.[1]

Gleichzeitig ist das Thema der Diskriminierung gesellschaftlich hochaktuell. Rassismus stellt eines der bedeutendsten Elemente von Extremismus dar und hat bereits viele Opfer gefordert.[2] Wichtig hierbei ist aber zu wissen, dass Rasse ein Konstrukt ist, welches nur durch einen sozialen Kontext entsteht: biologisch gibt es diese nicht.[3]

In der Schweiz werden jedes Jahr Zahlen zur aktuellen Rassismus-Situation veröffentlicht. Jene aus dem Jahr 2019/2020 zeigten, dass sich jede dritte Person durch Personen gestört fühlt, welche als «anders» empfunden werden.[4] Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass in meinem Umfeld die meisten Personen behaupten, sie besässen keine diskriminierende Haltung. Mit meiner Arbeit wollte ich dieser Wahrnehmung auf den Grund gehen.

Mein Versuch kurz erklärt

In meinem Versuch sollte festgestellt werden, ob die Wahl der Ethnie der Werbegesichter von Bedeutung für die Konsumentinnen und Konsumenten ist oder ob sie vernachlässigt werden kann. Dazu habe ich 146 Personen aus Schulklassen des Gymnasiums Kirschgarten und der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule Bern befragt. Schulklassen weisen eine hohe Diversität an Charakteren und sozialen Hintergründen auf. Somit kann eine zu einseitige Personengruppe nahezu ausgeschlossen werden. Alle Teilnehmenden haben die Ethnie «Weiss». Dies hat folgenden Grund: Meine Fragestellung bezog sich auf die Repräsentation der eigenen Ethnie auf den Plakaten. Die Befragten wussten nicht, worum es in meiner Arbeit ging. Damit habe ich versucht, zu erreichen, dass sie möglichst so antworten, wie sie im normalen Alltag auf die Plakate reagieren würden.

Ich habe die Teilnehmenden in zwei Gruppen aufgeteilt und ihnen je eine Plakatserie gezeigt. Die sogenannte Experimentalgruppe sah Plakate mit Models, welche nicht ihrer eigenen Ethnie entsprachen. Die Kontrollgruppe sah grundsätzlich die gleichen Plakate, jedoch mit Models, welche der Ethnie «Weiss» entsprachen. Beide Gruppen beantworten identische Fragen (erster Eindruck, Markenimage etc.). Danach habe ich die Antworten miteinander verglichen.

Ergebnisse

In meinem Versuch wurden zwei unterschiedliche Ansätze gleich häufig bestätigt:

  1. Polarized Appraisal Theory

    Hierbei werden Personen einer Fremdgruppe extremer bewertet, da es für Personen einer Eigengruppe viel mehr Beurteilungsfaktoren gibt. Die Beeinflussung kann in der Theorie, und hat dies auch in meinem Versuch, in eine positive und negative Richtung stattfinden.[5]

  2. In-Group Favoritism

    Personen einer Eigengruppe erhalten eine spezielle Behandlung, was in einem unfairen Umgang gegenüber einer Fremdgruppe endet. Psychologisch begründet werden kann dies folgendermassen: Personen der Eigengruppe sind den Betrachtenden ähnlicher – sie verspüren keine soziale Distanz zu der abgebildeten Person.[6]

Diese Theorien widersprechen sich in ihrer Grundaussage und keine der beiden kann als vollständig richtig erwiesen werden. Es scheint also noch etwas anderes dahinterzustecken. Somit kommen wir zu einem weiteren Punkt, den ich in meinen Versuch beobachten konnte: Faktoren wie die Gesichtsausdrücke der Models oder der Hintergrund eines Plakates scheinen unsere Auffassung ebenfalls zu beeinflussen. In meinem Versuch waren die zwei Plakate nicht immer ganz identisch und so kam es teilweise zu überraschenden Ergebnissen. Ein Beispiel:

maturarbeit-ethnische-diskriminierung-in-der-werbung-beispiel
Bilder: freie Kompositionen von Valencia. Die Sujets sind fiktiv und wurden exklusiv für die Maturarbeit erstellt.

Das Plakat der Experimentalgruppe (links) wurde hier als traditioneller eingestuft. Oft wird Diversity der Eigenschaft modern zugeordnet. Nun ist aber hier der Bildhintergrund bei der Experimentalgruppe aus Holz und zeigt ein eher traditionelles Chalet.

Ein weiterer Ansatz wurde in meinem Versuch bestätigt: Die Nationalität des Models auf dem Plakat muss in einem guten Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt stehen. Dies entsteht daraus, dass wir unterschiedliche ethnische Gruppen mit bestimmten Eigenschaften assoziieren.[7] Um dies zu verdeutlichen: Eine Pizzawerbung mit asiatischen Models kam bei den Befragten schlechter an als die gleiche Werbung mit Personen mit einer Abstammung aus dem europäischen Raum.

Was bedeutet dies für die Werbeindustrie?

Eine definitive Aussage, ob man sich nur von der eigenen Ethnie angesprochen fühlt oder diese sogar deutlich besser als Werbestandard funktioniert, kann ich nicht machen. Jedoch zeigen die Ergebnisse meiner Arbeit, dass Personen der Ethnie «Weiss» sich sehr wohl von Personen, welche nicht ihrer Ethnie entsprechen, angesprochen fühlen können.

Das Ergebnis von Selinas Arbeit hat mich positiv überrascht. Meine Vermutung, dass sich Zielgruppen in der Beurteilung von Werbung an einer ihr ähnlich aussehenden Peergroup ausrichten und darum diese auch positiver beurteilen würden, hat sich in der Art nicht bestätigt. Auch wenn sich die fiktiven Plakate nicht ausschliesslich in der Wahl der Models unterschieden (siehe Beispiel oben), ist die Tendenz klar: Bildinhalt und Stimmung haben bei Jugendlichen in der Schweiz einen gleich grossen oder sogar grösseren Einfluss als die Hautfarbe der Models. Und das sind doch mal Good News.

Michael Gerber, CEO Valencia Kommunikation

Aufgrund dieser Erkenntnis sollten Firmen bei der Wahl ihrer Models und den Plakaten eher darauf achten, welche Emotionen jemand ausstrahlt und wie der Gesamteindruck wirkt. Dennoch scheint der Mensch nicht frei von Stereotypen zu sein und es bleibt bei der Modelwahl relevant, ob ein Produkt zur Ethnie des Models passt.

Die Maturarbeit von Selina wurde mit der Bestnote 6 gewertet – wir gratulieren ihr ganz herzlich zu diesem grossen Erfolg!

Quellenangaben

[1] Wonkeryor, Edward Lama: Dimension of Racism in Advertising. New York 2015 (Vorwort)
[2] Petersen, Lars-Eric / Six, Bernd: Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Bad Langensalz 22020 (S.125)
[3] Fu, Linda C.L.: Advertising and Race. New York 2014 (S.9)
[4]edi.admin.ch
[5]researchgate.net
[6] Aronson, Elliot / Wilson, Timothy D. / Akert, Robin M. / Sommers, Samuel R. : Social Psychology. Columbus 92018 (S.138)
[7]grin.com (02.07.2021)

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