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Vor zehn Jahren fing es an, und dann waren sie plötzlich überall: Die Murmelmania, Nanomania und Was-weiss-ich-für-Manias, abwechselnd mit dem Coop Abenteuer Natur und Garten und Reise durch die Welt des Wissens, zwischendurch Aldis Welt in Farbe, und wieder Coop und Migros mit emojis, Wichteln und Osterhasen… Die Aufzählung ist nicht vollständig und schon gar nicht abschliessend, denn: Ein Ende der Sammelpromotionen für Kinder ist nicht in Sicht. Meiner Ansicht nach ist das nicht nur logisch, sondern auch gut.

CEO und Partner

Warum überhaupt die Sammelpromotionen im Detailhandel?

In einem gesättigten Markt, welcher einem hohen Konkurrenzdruck ausgesetzt ist, bekommt die Kundenloyalität einen besonders hohen Stellenwert. In der heutigen Welt konsumieren die Kunden situativ, da ist jede noch so kleine Loyalitätsverbesserung Gold wert. Wenn dabei noch motiviert werden kann, den Einkaufsbetrag zu erhöhen, dann ist das sogar die Platin-Auszeichnung. Alles was im eigenen Kanal verkauft wird, geht nicht mehr im fremden über die Theke und bedeutet eine Zunahme des Marktanteils.

Der Entscheid für den richtigen Kanal und die Umsatzhöhe wird darum belohnt. Das ist breit akzeptiert, da es einem Mengenrabatt-System entspricht, wie wir es seit der Erfindung des Handels kennen. Der Unterschied bei einer Sammelaktion besteht nur darin, dass kein Rabatt, sondern ein Zusatznutzen ausgespielt wird. Der Zusatznutzen ergibt sich aus dem Mechanismus; das Sammeln an und für sich löst schon positive Emotionen aus. Hinzu kommt eine konkrete Belohnung als Sammelziel. Dieses muss mit einer Emotion verbunden werden.

Zum Beispiel mit dem Gefühl, dass man etwas besonders Wertvolles besonders günstig erhalten hat, also einen «guten Deal» gemacht hat. Etwas Rares, das so nicht jeder hat, gibt einem als Empfänger das gute Gefühl, etwas Spezielles erobert, erreicht zu haben. Eine weitere positive Emotion erlebt man, wenn man es geschafft hat, eine Kollektion zu vervollständigen. Die Genugtuung, eine Sammlung vervollständigt zu haben, kennen viele Leute aus eigener Erfahrung. In marketinggesteuerten Sammelaktionen versucht man, genau diese positiven Gefühle zu vermitteln.

Warum nicht einfach günstigere Preise bieten?

Würde man die ganzen Marketinganstrengungen in eine Preissenkung über das ganze Sortiment investieren, würde diese (vermutlich) in einem tiefen Prozentbereich liegen und keine der genannten Emotionen auslösen. Sie würde rasch als normal hingenommen werden, ohne jegliche Sammler-Instinkte zu befriedigen.

Der Sammler-Instinkt mag archaisch sein und aus einer Zeit stammen, bei der das gekonnte Horten von Nahrungsmitteln noch einen Vorteil im Überlebenskampf bot – aber in der Form einer Sammelaktion ist es ein Phänomen unserer Zeit.

Wann entstehen Sammelpromotionen?

Sammelaktionen sind eine logische Konsequenz, wenn zwei Kriterien erfüllt sind. Erstens, der Markt muss gesättigt sein. Es muss ein sogenannter Angebotsmarkt sein – und nicht ein Nachfragemarkt. Zweitens muss es sich um einen Markt in einer Wohlstandsgesellschaft handeln, in der bei der Mehrheit der Bevölkerung der Ausgabenposten «Einkauf im Detailhandel» nicht der grösste im Haushaltsbudget ist. Ist dies der Fall, also das Überleben gesichert, dann kann das starke Erlebnis des «persönlichen best-buy-Profits» eben auch über das emotionale Erlebnis des «Profitieren durch Sammeln» ausgespielt werden. Etwas einfacher formuliert: Wer Hunger hat, kann noch keine Vorräte anlegen. Für Vorräte braucht es ein Minimum an Überfluss. Darum kann erst gesammelt werden, wenn die akuten Bedürfnisse befriedigt sind. Deshalb gibt es das Phänomen «Sammel-Promotion» in der uns bekannten Art kaum in Venezuela oder Turkmenistan.

Warum setzt der Detailhandel auf Sammelpromotionen für Kinder?

Mit Abenteuer Natur setzte Coop 2015 erstmals auf edukative Inhalte und fand damit ein Erfolgsformat unter den Kindersammelpromotionen.

Viele Sammelaktionen im Detailhandel sind bewusst an Kinder gerichtet. Das ist nicht „böses Marketing“, sondern eine logische Entwicklung. Es ist das Natürlichste der Welt, dass Kinder die Welt der Erwachsenen nachspielen. Tauschen und Handeln von Bildchen (zum Beispiel Panini-Fussball-Bilder) sind mit grossem Spass verbunden. Und durchaus auch pädagogisch wertvoll. Ein Kind kann dabei genau die Skills erlernen, welche auch später in der Gesellschaft wichtig sind: diskutieren, argumentieren, wertschätzen, respektieren, kalkulieren, sparen und im richtigen Moment etwas riskieren. Die Sozialkompetenz wird obendrein gefördert, denn kostengünstig und effizient sammelt nur, wer sich auch austauscht und eben nicht nur nimmt, sondern auch gibt. Darum ist es höchste Zeit, zu sagen, dass all diesen Sammelmechanismen eine positive Haltung zur Gemeinschaft zugrunde liegt. Wir halten fest: Kinder lernen spielend, was sie im Erwachsenenleben weiter bringt.


Sammeln und Sozialkompetenz bei Kindern, nach Ludwig Duncker, Universität Gießen und Prof. Dr. Dieter Frei, Ludwig-Maximilians-Universität München – Das Sammeln kommt ursprünglich aus einer angstbasierten, defensiven Haltung. Es erlaubt Kindern aber mit dem Anhäufen (von Bildchen/Gadgets, aber auch Fachwissen und Methodenkompetenz), dem Vorzeigen und dem notwendigen Austausch einen Wechsel in eine offensive Sozialstrategie. So schaffen sich Kinder ihre eigene Wirklichkeit, in der sie selbstbestimmt und kompetent agieren können, und profitieren sozial davon.

Nun macht der Handel natürlich nicht aus rein altruistischen Gründen solche Sammelpromotionen für Kinder. Natürlich will man genau gleich wie bei den Sammelpromos für Erwachsene die Kanalwahl und den Umsatz pro Einkauf vergrössern. Siehe oben. Meiner Meinung nach ist das ein völlig legitimes Ziel. Man ist dem als Eltern ja auch nicht hilflos ausgeliefert. Die Entscheidungsgewalt liegt ja immer noch bei den Eltern und nicht bei den Kindern. Wenn es einem nicht passt, muss man als Erziehungsberechtigter halt auch nein sagen können. Ich sage deshalb: Sammel-Promotionen können, wenn ethisch richtig gehandhabt, eine gute Sache und ein grosser Spass für die ganze Familie sein.

Mit der Emoji Sammelpromotion im Frühjahr 2017 gelang Coop der grosse Wurf – als eine der bisher erfolgreichsten Sammelpromotion von Coop sprach sie nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche und junge Erwachsene an.

5 Dinge, Sammelpromotionen für Kinder erfolgreich machen

  1. Der richtige Sammelpartner

    Der Sammelpartner muss passen. Bei Valencia Kommunikation haben wir bis jetzt gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Panini, Boost, Disney und Universal gemacht. Panini dürfen wir seit Dezember 2017 auch zu unseren Kunden zählen (Launch und Kommunikation des Sammelhefts Gold Edition Russia 2018)

  2. Der X-Faktor

    Eine Sammelpromotion für Kinder muss den Kids konkret etwas Positives bieten. Etwas, was sie sonst in der Art nicht haben können. Es stehen also auch hier die beiden wichtigsten Kriterien für jede Art von Promotion im Mittelpunkt: Relevanz und Aktualität. Beides muss für die Zielgruppe, also die Kinder, möglichst hoch sein und bei den Eltern zumindest akzeptiert.

  3. Transparent sein

    Für Eltern muss der Mechanismus klar und transparent sein. Die Eltern müssen auch verstehen können, was ihre Kinder wie und warum sammeln wollen. Beides schafft das nötige Vertrauen für eine erfolgreiche Promotion.

  4. Akzeptierte Themen bespielen

    Es dürfen mit Sammelpromotionen auf keinen Fall Verhaltensweisen gefördert oder Themen bespielt werden, welche gesamtgesellschaftlichen Zielen entgegenwirken. No-gos sind zum Beispiel: Krieg, Tierquälerei, Littering, Drogenmissbrauch. Bei solchen Themen ist die Zielsetzung ethisch tatsächlich fraglich, die Akzeptanz in der Gesellschaft nicht gegeben und die Promotion kaum erfolgreich.

  5. Die richtige Agentur

    Viel Ärger ersparen kann man sich, wenn man die Agentur sorgfältig auswählt. Eine Agentur mit Erfahrung verhindert auf jeden Fall Anfängerfehler.

Nach dem Erfolg von 2017 schickt Coop auch im Jahr darauf wieder die Emojis ins Rennen. Im Sommer 2018 gibt’s coole Badi-Gadgets zu ersammeln.

Der Autor und seine persönliche Sammelkompetenz

Michael Gerber, CEO und Partner bei Valencia Kommunikation AG

Ich bin in einer Welt voller bunter und lehrreicher Silva- und Mondo-Bücher aufgewachsen. Mein Vater schnitt immer fein säuberlich die Punkte aus den Schoggi- und Zahnpasta-Verpackungen aus. Ich schaute ihm dabei zu und versuchte, beim Punktezählen zu helfen. Ich empfand es immer als etwas Positives, Punkte zu sammeln, Bilder einzukleben und danach die schönen Buchseiten zu bestaunen. Ein lohnendes Ziel. Etwas später in der Kindheit sammelte ich mit einem Gspänli Bilder von Panini für „Säugetiere“ und „Star Wars“. Meine Eltern sahen meine eigene Sammlerei viel kritischer als ihre eigene. Der (wohlgemerkt: bürgerliche) Primarlehrer erklärte uns, dass dies gemeines, auf unser Sackgeld zielendes «Marketing» sei. Schon als Kind fiel mir dieses Paradox auf: Eltern dürfen sich scheinbar vom Sammeltrieb aller Art verführen lassen, Kinder aber – so der allgemeine gesellschaftlichen Konsens – müssen davor bewahrt werden. Hier zeigt sich, dass die Kinder-Logik oft stringenter ist als die der Erwachsenen. Kinder spielen nur die Welt der Eltern nach. Und da wird eben gespart, angehäuft, gesammelt und für eine Ware ein möglichst guter Preis ausgehandelt. Sammel-Promos von Grossverteilern liegt genau der gleiche Mechanismus zugrunde. Ich konnte weder früher als Kind, noch kann ich heute als Vater von zwei Mädchen eine moralische Verwerfung darin sehen.

Die Mutter aller Sammelalben, das Panini Sammelalbum zu Fussball Europa- und Weltmeisterschaften, ist auch 2018 wieder am Start. Migros setzt im Frühling 2018 sogar ganz auf die Fussballbildchen und verteilt jedem Kunden täglich zwei Bilder zum Einkauf.

1 thoughts on “Sammelpromotionen für Kinder: Ein Phänomen unserer Zeit

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